Ein Mord in der Familie

Veröffentlicht: 29. Januar 2018, aktualisiert: 11. September 2023

Einleitung

Im Zuge der Sichtung der Kirchenbücher von Buch am Ahorn bin ich auf einen Eintrag gestoßen, wonach eine Vorfahrin aus unserer Wertheimer Dosch Linie im November 1776 einem Mord zum Opfer gefallen ist. Ihr Schwiegersohn – der Schwager unseres Vorfahren Johann Melchior Ulmerich, ein gewisser Johann Valentin Stezler, hatte versucht, seine Schwiegereltern und deren Kinder zu vergiften. Die Mutter, Catharina Apollonia geb. Kraft, ist an den Folgen des Anschlags verstorben.

Im Herbst 2020 hatte ich Gelegenheit, mir im Staatsarchiv Wertheim die Ermittlungsakten zu diesem Mordfall anzusehen. Aufgrund anderer Prioritäten bin ich aber bisher noch nicht dazu gekommen, das umfangreiche Material vollständig auszuwerten. Nachdem das geschehen ist, beabsichtige ich, diesen Artikel entsprechend zu überarbeiten, was aber noch einige Zeit dauern kann.

Catharina Apollonia stammte aus Eubigheim, einem Nachbarort von Buch am Ahorn. Sie hat dort am 17. Februar 1749 den aus einer Weberfamilie in Buch am Ahorn stammenden Johann (Hanß) Werner Ulmerich geheiratet.


Eine Übersicht der Nachkommen von Jörg Ulmerich, dem Stammvater der Ulmerichs, gibt es in der Genealogie-Datenbank…


Die beiden Eheleute hatten zum Zeitpunkt des Anschlages bereits mehrere, überwiegend schon erwachsenen Kinder…

  • Johann Lorenz Ulmerich (1750–1750)
  • Johann Melchior Ulmerich (1751–1812)
  • Maria Catharina Ulmerich (1754–1828)
  • Maria Dorothea Ulmerich (1756–1835)
  • Johann Adam Ulmerich (1759)

Der Fall

Am 11. November 1776 schreibt der Pfarrer in das Kirchenbuch..

Nachdeme Hanß Werner Ulmerich allhier mit seiner Frau und beiden erwachsenen Kindern mittags gekochte Birne gegeßen, wurden diese 4. Personen augenblikl. mit einem anhaltenden Erbrechen Bettlägerig u. tödl. Krank. Vermutlich waren die Birnen vergiftet, ohne erfahren zu können von wem u. wie es damit zugegangen. Der Mann und die 2. Kinder kamen durch Gottes Hülfe u. Gebrauch eines Antidoti glückl. davon. Die Frau aber Catharina Apollonia, von Eubigheim gebürtig, welche nicht melancholisch gewesen sondern jederzeit ihren guten Verstand gehabt, starb Tags darauf als d. 12. Nov. Nachts um 9. Uhr, u. wurde d. 14. einsd. mittag um 12. Uhr begraben.

Der Pfarrer hat den Vorfall offensichtlich so genau dokumentiert, weil er sich mit dem Amt angelegt hat. Er weigerte sich, einer Exhumierung der Leiche von Catharina Apollonia zuzustimmen…

Tags nach dem Begräbniß, naml. d. 15t Nov. kamn die Centh Deputidten von Bischofsheim, Herr Doct. Schnorrbusch, Herr Centgraf, Centhschreiber u. Centh Chirurgus, und liesen durch hisigen Schultheisn bei mir einzwygen [einzwingen], die begrabene Frau wieder auszugraben und zu secirn – Wie denn auch die Todengräber schon dazu bestellt waren – Weil aber ein geweihter District, wozu auch der Kirchhof gehöret, welcher nicht nach Bischofsheim, sondn nach Wertheim Centbar, so nahm ich die Sache nicht auf mich, machte meine Exceptiones gegen das Aufuhrn, u. berichtete den Vorgang an beiderseitig Hochlöbl. Regierung nach Wertheim. Das Centamt hat ex post aquiesciert, u. die Ausgrabung ist unterbliebn.
Endl. wurde ich doch noch vom Cent aus Bischofsheim verklaget, u. man probadierte von mir Satisfaction (..) theils weil ich die Frau – solche doch 39 Stund tod im Hauß gelegen – begraben, ohne es vorzeigen zu lasen, theils weil ich mich wider die herausgrabung des cörpers gesetzt.

Er führt weiter aus, dass er erst Ruhe hatte, nachdem er sich zu seiner Verteidigung nach Wertheim wandte und von dort in Mainz interveniert wurde.

Die Aufklärung

Schließlich stellte sich heraus, dass der Schwiegersohn, Johann Valentin Stezler, der Ehemann der Tochter Maria Catharina den Anschlag verübt und später wohl Selbstmord begangen hat…

Endl. lößte sich das Rätsel der Vergiftung auf. (..) starb des Joh. Werner Ulmerichs Tochtermann, namens Joh. Valentin Stezler, u. zwar plötzl. auf seinem Bett. Man verfiel daher leicht auf die Gedankn, daß er nicht nur die vorige Vergiftung in seines Schwähgers Hauß angerichtet, sondern auch sich selbst vergiftet haben möge. Er wurde von der Centh secirt, u. man fand wirkl. u. zwar viel Gift bei ihm.

Was ihn zu der Tat bewogen hat und ob es ein absichtlicher Selbstmord oder ein Versehen im Umgang mit dem Gift war, bleibt offen.

Anschließend dauerte es offensichtlich mehrere Wochen, bis die Freigabe zur Bestattung kam. Glücklicherweise für alle Beteiligten herrschten im Dezember 1776 und Januar 1777 in Deutschland wohl Minusgrade….

Er wurde (..) auf Centhbefehl von hisigem Centen Tag u. Nacht bewachet, und dieser bei 5. woch lang, biß endl. die Centh resolntion kam (..) wurde er d. 25. Jan 1777 abends in der dämmerung ohne Gesang u. Klang, ohne Leichbegleitung, auf einem Separaten Platz des Kirchhofs begraben.

Danach

Seine Ehefrau Maria Catharina hat am 1. August 1780 in Buch am Ahorn erneut – einen Werner Keller – geheiratet.

Ob sie bzw. ihr älterer Bruder, unser Vorfahre Johann Melchior Ulmerich, der damals 25 Jahre alt war, zu den „beiden erwachsenen Kindern“ gehörten, die von den Birnen gegessen haben, ist nicht bekannt.

Johann Melchior heiratete erst am 11. November 1788 in Buch am Ahorn eine Eva Elisabetha Endter. Sie war die Tochter des dortigen, jedoch ursprünglich aus Weidebrunn bei Schmalkalden stammenden Schulmeisters Johann Michael Endter. Dessen Vorfahren konnten zum Teil bis 1554 nachvollzogen werden.

Zu weiteren Informationen hierzu gelangt man über die Nachkommen von Cuntz Wolff in der Genealogie-Datenbank…


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